Alltäglicher Umgang mit Demenzkranken

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beschreibt Demenz als erworbene globale Beeinträchtigung der höheren Hirnfunktionen. Die Auswirkungen betreffen den Hauptteil mentaler Funktionen. Die psychischen Auswirkungen betreffen das Gedächtnis und die Kontrolle emotionaler Reaktionen. Die Vertrautheit mit sich selbst und der Umwelt weicht einer zunehmenden Unsicherheit.

 

Im gleichen Maße nehmen die sozialen Schwierigkeiten zu: Alltagsprobleme erscheinen immer komplexer, Artikulation und Kommunikation verlieren Richtung und Zusammenhang. Durch die Beeinträchtigung der sensomotorischen Fähigkeiten findet die Erkrankung schließlich auch auf physischer Ebene ihren Niederschlag. Die Altersdemenz (senile Demenz) und insbesondere auch die Demenz vom Alzheimer-Typ sind fortschreitend und führen in zunehmendem Maße zur pflegerischen Abhängigkeit. Der Krankheitsprozeß beginnt meist schleichend und wird vom Betroffenen und von den Angehörigen kaum bemerkt. Die Krankheit zeigt unter anderem folgende Merkmale:

 

  • Gedächtnisausfall, verlangsamter Denkablauf
  • Auffassungs-, Konzentrationsstörung
  • Reduzierung des Kritik- und Urteilsvermögens
  • erschwerte Entscheidungsfindung
  • allgemeine Verlangsamung und Umstellungsschwierigkeit
  • Neigung zu raschem Weinen oder unbegründetem Lachen
  • Euphorie, Aggressivität, Apathie und Unempfindlichkeit
  • Neigung zu vertraulichem Plaudern
  • Distanzlosigkeit
  • Abstumpfung
  • Neigung zur Gewalttätigkeit
  • sexuelle Enthemmung
  • ständiges Wiederholen gleicher Gedankeninhalte
  • nächtlicher Unruhezustand
  • Umtriebigkeit, Weglauftendenzen

 

Pflegende Angehörige, Freunde und Bekannte von Betroffenen stehen schließlich vor der Frage, wie mit der veränderten Persönlichkeit des Erkrankten umzugehen ist.

 

Lassen Sie sich informieren

 

Von besonderer Bedeutung ist das Wissen um die Krankheit. Es vermittelt Sicherheit und macht einen adäquaten Umgang überhaupt erst möglich. Falsche Hoffnungen, Ungeduld oder Resignation verstärken den Druck auf den Betroffenen. Nehmen Sie die Krankheit als Tatsache an. Wer versucht, den Kranken so anzunehmen wie er ist, geht mit der Situation realistisch um. Machen Sie sich bewußt, daß eine Beeinträchtigung des Gedächtnisses auch den Verlust des Lernvermögens bedingt. Alzheimer-Beratungsstellen stehen in Berlin jedem Hilfesuchenden kostenlos zur Verfügung. Es existiert auch eine Fülle von Material zu diesem Thema.

 

Verständnis statt Druck

 

Die Akzeptanz der unheilbaren Erkrankung ist keine Resignation, sondern der Beginn einer Verhaltensanpassung der Pflegenden. Der Umgang mit der Ängstlichkeit, der Anhänglichkeit und dem ständigen Wiederholen von Fragen und Aussagen erfordert eine geduldige Kontrolle der eigenen Gefühle. Vor allem, wenn der Betroffene sich bei seiner zunehmenden Desorientierung von den Angehörigen getäuscht fühlt und sie gar wegen "abhanden gekommener Dinge" verdächtigt, so ist es oft schwer, einer emotionalen Eskalation aus dem Weg zu gehen. Doch sind gerade hier Erklärungen und Vorwürfe oder der Nachdruck nonverbaler Art durch Mimik, Gestik oder Tonfall völlig fehl am Platz. 

Diese Mittel verstärken lediglich die Unsicherheit des Betroffenen. Er kann sich zwar nicht mehr an das unmittelbar zuvor Erlebte erinnern, wird sich aber, bei Unverständnis der Bezugsperson, seines Defizits sehr bewußt. Durch diese Situationen kann auf Dauer ein Teufelskreis entstehen, in dem sich Unsicherheit und Ungeduld gegenseitig verstärken. Eines darf nie vergessen werden: die gut erhaltene emotionale Ansprechbarkeit läßt den Erkrankten sehr genau bemerken, wenn er wie ein Kind behandelt wird. Vermeiden Sie daher lange Sachdiskussionen, sie führen zu nichts. Empfehlenswert ist es, nicht auf den Wortlaut des Erkrankten einzugehen, sondern eher auf den Gefühlsinhalt.

 

Begegnen Sie statt dessen den Betroffenen mit viel gefühlsmäßiger Zuwendung. Auch wenn der Inhalt gesprochener Worte oft nicht in einen realistischen Bezug gesetzt werden kann, so sind die Kranken durchaus in der Lage, affektive (gefühlsmäßige) Äußerungen zu verstehen. Sie spüren sehr genau, ob freundliche Worte auch tatsächlich so gemeint sind, was sich in Gestik, Mimik, Körperhaltung und Tonfall widerspiegelt.

 

Fördern Sie verbliebene Fähigkeiten

 

Als Angehöriger, Freund oder Bekannter eines Demenzkranken sollten Sie Ihr eigenes Verhalten der Krankheit weitestgehend anpassen. Vereinfachen Sie Ihre Sprechweise. Verwenden Sie statt dessen Gesten und Berührungen als Kommunikationsmittel, da diese besser verstanden werden und zugleich ein Gefühl der Nähe und Verbundenheit vermitteln. Schärfen Sie Ihren Blick für die Bereiche der betroffenen Person, die von der Krankheit unangetastet blieben. Übertriebene Schonung sollte vermieden werden. Dadurch spürt der Betroffene die eigene Unzulänglichkeit.
 

Nehmen Sie den Betroffenen nicht gleich alle alltäglichen Verrichtungen ab. Kleine einfache Tätigkeiten im Haushalt oder im Bereich der Körperhygiene können oft durchaus von den dementiell Erkrankten noch ausgeführt werden. Diese kleinen Beschäftigungen sollten stets mit Lob begleitet werden. So bleibt die Selbstachtung erhalten und den Betroffenen wird ein Gefühl menschlicher Würde vermittelt.

 

Praktische Wegweiser für den Alltag

 

Im Verlaufe der Krankheit erweist es sich als sinnvoll, die äußeren Lebensbedingungen der Krankheit anzupassen. Dazu gehört zuerst ein überschaubarer, gleichbleibender Tagesablauf. Der zunehmenden zeitlichen und örtlichen Desorientierung kann mit gezielten Orientierungshilfen entgegengewirkt werden. Ein großer Kalender, auf dem der jeweilige Tag deutlich ersichtlich ist, schafft schon erste Abhilfe. An Türen und Schränken können verschiedene Symbole oder Farben die Orientierung erleichtern.

Das Bild eines Wasserfalls zum Beispiel könnte dem Betroffenen helfen, das Bad zu finden. Hat sich jemand im Straßenverkehr ausgekannt, so kann das aufgemalte Bild "Durchfahrt verboten" vor der Wohnungstür das "Weglaufen" verhindern. Es sollten Farben und Symbole verwendet werden, die dem Betroffenen bekannt und verständlich sind. Der fortschreitenden Gangunsicherheit sollte ebenfalls Rechnung getragen werden, um Unfälle zu vermeiden. Hochstehende Teppichkanten, Läufer und Kleinmöbel sind oft Ursache von Zweiterkrankungen nach einem Sturz und erschweren zusätzlich die Pflege. 
 

Grundsätzlich aber ist das Beibehalten der gewohnten Lebensweise eines Demenzkranken von großer Bedeutung. Dabei sind Dinge der Vergangenheit wichtiger als Eindrücke der Gegenwart. Beispielsweise schaffen Bilder aus vergangenen Zeiten des Betroffenen für ihn eine heimelige Atmosphäre. Auf Grund der erhaltenen sinnlichen Wahrnehmungsfähigkeit kann das Streicheln einer Katze oder das Singen eines Vogels sehr bedeutsam sein. Auch Musik wird als angenehm von den Betroffenen empfunden.

 

Vergessen Sie sich selbst nicht

 

Bei aller nötigen Fürsorge sollten Angehörige von dementiell erkrankten Menschen aber auch für sich selber sorgen. Schon aus dem einfachen Grund, der ansteigenden physischen und psychischen Belastung ansonsten auf Dauer nicht gewachsen sein zu können. Wichtig ist das Einlegen von Entspannungsphasen. Man sollte mit den eigenen Kräften haushalten und einfach auch einmal "rauskommen".

Dazu gibt es vielfältige Möglichkeiten, den kranken Angehörigen in der Zeit, und sei es auch nur für einen Einkaufsbummel oder einen Kaffeeklatsch, adäquat betreuen zu lassen. Und noch eines sollte bedacht werden, Sie sind mit Ihrer Situation nicht alleine. Holen Sie sich Rat und Hilfe und nutzen Sie die Möglichkeiten des Gedankenaustausches mit anderen Angehörigen von Demenzkranken.