Pflege von Hemiplegie - Das Bobath-Konzept hat sich bewährt

Das Bobath-Konzept, benannt nach seinem "Erfinder", berücksichtigt die individuellen Möglichkeiten eines Patienten und bezieht diese unter Anwendung einiger Prinzipien in die Pflege und Therapie ein. Das Anliegen des Bobath-Konzeptes ist es, das bei einer Hemiplegie (Halbseitenlähmung) verlorengegangene Zusammenspiel beider Körperhälften durch Förderung der Sensibilität, Hemmung der Spastizität (Vermehrung des Muskeltonus) und Bahnung von selektiven Bewegungen neu zu organisieren.

Die wichtigste Regel lautet: Fördern durch Fordern und Hilfe zur Selbsthilfe

 

Unbedingt zu vermeiden ist Überversorgung durch falsch verstandene Hilfsbereitschaft. Kann ein Betroffener etwas selbst erledigen, so muß er auch Gelegenheit dazu bekommen. Setzt ein Mensch die noch vorhandenen Fähigkeiten nicht ein, so sollte nach den Gründen dafür gesucht werden. Schlußfolgerungen wie die, der Patient wäre unmotiviert oder bequem, sind hier fehl am Platz und fachlich und menschlich fragwürdig.

Vielmehr sollte bedacht werden, daß dieses Verhalten Ausdruck depressiver Verstimmungen, eines veränderten, herabgesetzten Selbstwertgefühls oder Ängstlichkeit sein kann. Genau hier hilft Selbstbestätigung durch wiedererlernte, beziehungsweise erhaltene Selbständigkeit. Pflegende, professionelle wie auch pflegende Angehörige neigen dazu, den Betroffenen aus falsch verstandener Hilfsbereitschaft oder einfach weil es schneller geht, vieles abzunehmen. 

 

Die Konsequenz ist dann aber, daß der Patient abhängig bleibt, nicht motiviert ist, nicht mobilisiert wird. Damit werden seine vorhandenen Ressourcen nicht gefördert und sie verkümmern. Das Gegenteil wäre eine Selbständigkeit um jeden Preis, die dem Patienten oft mehr schadet als hilft. Oft läßt sich beobachten, daß ein Patient, bei dem Fortschritte in einzelnen Handlungen bereits zu verzeichnen sind, einzelne Strategien selbst entwickelt. Diese können unter anderem aber zu einer Vermehrung der Spastizität führen. 

 

Wichtig ist, daß alle Personen und Berufsgruppen zusammen arbeiten

Pflegeziele, wie Training des Gedächtnisses im Alter und die Orientierung oder Bewältigung von Handlungsabläufen im Alltag können nur durch multiprofessionelle Teamarbeit von Angehörigen, Pflegenden, Logopäden, Ergotherapeuten, Sozialstationen und Ärzten erreicht werden. Der dann erzielte Lern- und Entwicklungsprozeß ist meßbar. Nicht meßbar sind Engagement, Einfühlungsvermögen, menschliche Wärme und Nähe, die vor allem den Patienten entgegengebracht werden muß, bei denen Erfolge ausbleiben. 
 

Die allgemeine Zielsetzung einer Rehabilitation ist die maximale Wiederherstellung der Selbständigkeit und Unabhängigkeit im Bereich der Aktivitäten des täglichen Lebens (ATL). Voraussetzung ist, daß der Patient von allen Teammitgliedern in seiner Individualität angenommen wird. Da Erfolg die stärkste Motivation darstellt, muß das gesamte Rehabilitationsprogramm darauf abgestellt werden, Erfolge zu sichern. Der Betroffene sollte bis knapp unter seine maximale Leistungsfähigkeit gefordert werden. Das verbessert sein Leistungsniveau und erhöht damit den Übungserfolg. Dies wiederum wirkt motivierend auf weitere Aktivitäten. Überforderung dagegen äußert sich in ablenkendem, ausweichendem oder sogar aggressivem Verhalten und muß unbedingt vermieden werden. Denn nichts wirkt demotivierender als ständiger Mißerfolg. 
 

Gestaltung der Umgebung
 

Die Betreuung von Patienten mit Hemiplegie erfordert eine spezielle Gestaltung der Umgebung. Steht das Patientenbett mit einer Seite an der Wand, ist zu beachten, daß sich dort die bewegliche Seite des Patienten befindet. Bei Betroffenen, die in einem Ehebett liegen, sollte die gelähmte Körperseite an der Außenseite des Bettes liegen. Der Nachttisch steht demzufolge auf der behinderten Körperseite. So kann der Patient mit der gesunden Hand über seine Körpermittellinie benötigte Gegenstände selbst ergreifen. Besucher und Angehörige sitzen immer auf der gesunden Seite. So ist es dem Kranken möglich, ihnen den Kopf zuzuwenden und Blickkontakt herzustellen. Fernseher, Radio und Telefon stehen auf der betroffenen Seite. Motivation zu richtigen Bewegungen und zur Stimulation der gelähmten Seite erfordert, daß alle Pflegetätigkeiten, Handlungen und jede Gesprächsführung von dort aus erfolgen. 

 

Das Essen kann anfangs vor dem Spiegel erfolgen. So kann der Betroffene sich selbst beobachten und somit das Geschehen besser koordinieren. Hemiplegiker neigen zu stärkeren Schweißabsonderungen und sollten deshalb luftdurchlässige Kleidung aus Naturmaterialien tragen. Die Kleidung sollte sich leicht öffnen, schließen und somit ohne Umstände an- und ausziehen lassen. Das ermöglicht ihm eine weitgehend selbständige Ausführung dieser Handlung. Hilfsmittel ermöglichen das selbständige Knöpfen.

  

Bewegungsübungen nach Bobath sollten zur Standardpflege gehören. Regelmäßige rhythmische Gymnastik regt nach kurzer passiver Bewegungsübung aktivierend dazu an, im Sitzen das Gleichgewicht zu halten, sich an den Bettrand zu setzen, aufzustehen und mit Unterstützung auf der gelähmten Seite und später mit Gehhilfen ganz allein zu gehen. Feinmotorische Übungen erhalten die Geschicklichkeit in den Aktivitäten des täglichen Lebens. 

Der Patient setzt das Maß, nicht die Pflegenden!
 

Für die Umgebung sind Sicherheitsvorkehrungen wie Haltegriffe oder rutschfeste Teppiche (Teppiche sind besser zu vermeiden), sichere Lifter usw. wichtig, um das Selbstvertrauen im Stehen und Gehen wiederherzustellen. Gewohnheiten des Patienten sollten, solange sie nicht als gesundheitsschädigend einzustufen sind, beibehalten werden.

 

Verständnis für die veränderte Situation ist besonders nötig. Der Betroffene möchte sprechen, vermag es aber nicht. Er versteht kaum oder gar nicht, was man ihm sagt und kann Antworten nicht oder nur unklar ausdrücken. Hier ist es angebracht, Fragen und Sätze so knapp wie möglich zu formulieren, so daß der Patient mit Ja oder Nein antworten kann. Bei falschen Antworten sollten Sie nicht lächeln oder auf das Unkorrekte der Antwort hinweisen, sondern das Gesagte nochmals einfacher formulieren.

 

Nach Möglichkeit sollten alte oder neue Interessen geweckt beziehungsweise erhalten werden. Das beugt einer Resignation vor. Hierbei sind Angehörige besonders gefordert. Das Konzept von Bobath beinhaltet spezielle Techniken zur Lagerung und zum Transfer eines Hemiplegikers. Diese können Angehörige von Pflegepersonen oder einer Krankengymnastin erlernen.

 

Das Pflegetagebuch 


Wenn Sie einen Angehörigen pflegen, ist es von Bedeutung, diese Leistungen zu dokumentieren. Der Umfang der Pflegebedürftigkeit wird bei einem Hausbesuch von einem Gutachter des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung festgestellt. Dazu ist es notwendig, daß der Umfang der erbrachten Pflegeleistungen aufgezeigt werden kann. Pflege ist eine sehr vielfältige umfangreiche Tätigkeit, deren Einzelleistungen im Nachhinein nur schwer wiederzugeben sind. Jede Krankenkasse hält dazu vorgefertigte Pflegetagebücher bereit, die den für die Dokumentation relevanten strukturellen Rahmen vorgeben, so daß nichts vergessen werden kann.